Die "Titan-RT" führt auf 458 Metern über die Rappbodetalsperre. Damit ist sie die zweitlängste Hängeseilbrücke der Welt, kurzzeitig war sie sogar die längste. Sie wurde im Mai 2017 eröffnet – und seitdem drücke ich mich vor einem Besuch. Nicht, weil ich Angst habe, zumindest nicht vor der Hängeseilbrücke, schon eher vor den anderen Angeboten, Bungeejumping etwa oder einem Flug mit der Megazipline über die Talsperre. Nein, das ist es nicht. Was mich bisher abschreckte, waren die Besuchermassen und die Parkplatzprobleme von denen so oft berichtet wurde. Ich träumte davon, an einem ruhigen Abend im milden Licht der untergehenden Sonne entspannt über die Brücke zu spazieren ... Dank Kassenautomat am Drehkreuz ist sie nämlich ganzjährig von 8 bis 22 Uhr geöffnet (letzter Einlass um 21.30 Uhr, Achtung, es gibt am Automaten keine Kindertickets).
Der Traum ist schnell ausgeträumt: Wir sind mit zwei befreundeten Familien aus Hamburg und Berlin im Harz verabredet. Nachdem sie sogar im "Stern" von der Hängeseilbrücke gelesen haben, wollen sie unbedingt dorthin. Und so fahren wir ausgerechnet an einem Sonntag bei schönstem Wetter und zu Beginn der Herbstferien in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und in zahlreichen anderer Bundesländern zur "Titan RT". An Gesellschaft wird es uns also nicht mangeln ...
Parkplatz voll – und jetzt?
Wir kommen gegen 10.30 Uhr am Hauptparkplatz P1 im Nordwesten der Talsperre an. Der Parkplatz ist voll. Bevor wir uns ernsthaft Gedanken über eine Alternative machen können, stellt ein Mitarbeiter das "Parkplatz voll"-Schild wieder zur Seite und lässt noch ein paar Autos auf den Parkplatz. Die ersten Besucher sind schon wieder weg. Glück gehabt.
Ein 120-Tonnen-Koloss, 100 Meter über der Talsperre
Bevor es losgeht, noch ein paar Zahlen: Auf der Hängeseilbrücke geht es in einer Höhe von 100 Metern über das Rappbodetal. Die Besucher können auf einem 1,20 Meter breiten Gitterrost in beide Richtungen gehen. Gesichert werden sie durch ein 1,30 Meter hohes Geländer mit Stahlnetzen. Die Brücke wiegt 120 Tonnen und verläuft parallel zur Staumauer der Rappbodetalsperre. Für etwa zwei Monate konnte sich die 458 Meter lange "Titan RT" sogar als längste Hängeseilbrücke der Welt feiern. Bis im Juli in der Schweiz die 494 Meter lange Charles-Kuonen-Hängebrücke eröffnete und den Rekord übertraf. Was aber ja eigentlich auch egal ist. Auch die Talsperre kann übrigens mit Rekorden punkten: Sie ist mit 106 Metern die höchste Staumauer Deutschlands.
"Wusstest du, dass 90 Prozent der Hängebrücken einstürzen?"
Jetzt aber genug mit der Theorie. Wie fühlt es sich denn nun an, über die Hängeseilbrücke im Harz zu laufen? Mein 9-jähriger Sohn, der sich diebisch darüber freut, dass er bei solchen Aktionen deutlich mutiger ist als ich (ich sage nur: Baumwipfelpfad Bad Harzburg: Glassteg für Schwindelfreie) nutzt seine Überlegenheit schamlos aus. Während ich mich die ersten Meter noch eher unentspannt am Geländer festhalte und starr geradeaus schaue, läuft er ohne Festhalten über den Gitterrost und schaut dabei auch noch durch die Löcher nach unten, wo uns ja immerhin 100 Meter vom Boden trennen. Verdammt, wer wackelt hier eigentlich so?
Bei den Umstehenden sorgt er – je nach Gemüt – für Lacher und entsetzte Blicke, als er laut verkündet: "Mama, wusstest du, dass 90 Prozent der Hängebrücken einstürzen." Pah, von solchen Lügengeschichten lasse ich mir doch keine Angst einjagen. An das Geschaukel und die Höhe habe ich mich schnell gewöhnt und gehe nicht anders über die Brücke als auf den Gehweg vor die Haustür.
Die wirklichen Mutproben finden ohnehin woanders statt: Einige Meter über dem Eingang zur Hängebrücke zum Beispiel, beim Startpunkt der Megazipline, bei der man angegurtet und in Bauchlage quer über die Talsperre fliegt – mit bis zu 85 km/h übrigens. Zwei unserer Freunde überlegen, das spontan auszuprobieren. Aber spontan geht nicht. Sie hätten sich spätestens am Vortag online anmelden müssen. Der Blick in den Online-Kalender zeigt: Vor allem die Wochenenden sind zum Teil über Wochen im voraus ausgebucht.
Tiefblauer, von Grün umrahmter See
Mir reicht die Hängebrücke, auch beim Bungeejumping oder Wallrunning schaue ich lieber zu - und genieße stattdessen die Aussicht auf den tiefblauen, von grünen Bäumen eingerahmten See.
Eigentlich wollten wir an die Hängebrücke noch eine kleine Wanderung anschließen. Aber das Angebot und um die Hängebrücke ist zu verlockend. Die Kinder stürzen sich auf den Bonbonstand und den großen Spielplatz, und tollen anschließend im Wald herum. Die Eltern setzen sich mit dem sehr teuren, aber auch sehr guten Kaffee an die Picknicktische am Spielplatzrand und bestaunen die langen Warteschlangen, die sich mittlerweile am Drehkreuz gebildet haben (die Zahl der Besucher ist begrenzt). Die Kinder sind glücklich und wir blinzeln zufrieden in die Sonne. Auch Toiletten sind vorhanden und somit alles an Infrastruktur, was man an einem Sonntagnachmittag braucht. Es war definitiv kein ruhiger, aber ein sehr schöner Tag.
Danke!
Ein herzliches Dankeschön an Verena Meier für die wunderschönen Fotos. Diese sind im September 2018 entstanden und haben uns so richtig Lust auf einen Besuch der Brücke gemacht...
Weitere Informationen
Rappbodetalsperre, Oberharz am Brocken
Eintritt: Erwachsene 6 Euro, Kinder 4 Euro (Karten für Kinder gibt es nur im Besucherzentrum, nicht am Drehkreuz)
Öffnungszeiten: ganzjährig, täglich von 8 bis 22 Uhr (letzter Einlass um 21.30 Uhr)
Parken: Tagesticket 4 Euro
Parkplatz 1, Navigation: 38889 Rübeland, Sonderziel: Rappbodetalsperre
Parkplatz 2 (1800 Meter entfernt): Kreuzung L96/ B81
ÖPNV: Bus 265 ab Wernigerode (Haltestelle "Talsperre Rübeland") oder Bus 261 ab Blankenburg (Haltestelle "Wendefurth Oberbecken"). Achtung, samstags und sonntags fahren die Busse nur alle 2 Stunden (ab Wernigerode) oder alle 3 Stunden (ab Blankenburg). Weitere Informationen: www.insa.de
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Wer schreibt hier?
Mein Name ist Monika Herbst. Ich bin Journalistin, lebe in Braunschweig und verbringe meine Freizeit so oft es geht im Harz - mit Familienausflügen, Wanderungen, Mountainbiken und gutem Essen. Wo es im Harz am schönsten ist, könnt ihr in meinem Blog lesen. Mehr dazu:
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Monika (Sonntag, 11 November 2018 11:00)
PS: Eine Verbesserung der Parksituation ist übrigens in Arbeit:
https://www.volksstimme.de/lokal/wernigerode/tourismus-im-harz-naechste-phase-fuer-parkplatz-an-rappbode
Barbara (Sonntag, 16 Dezember 2018 17:47)
Aha, die Verbesserung der Parksituation ist in Arbeit. Das bedeutet wohl, große Parkplätze werden die Natur verschandeln - Event-Massentourismus im Harz- nein danke!
andre Schulz (Sonntag, 16 Mai 2021 11:41)
die Brücke ist super ,werde demnächst auch einmal darüber gehen