Zwei Frauen, zwei Herzensprojekte
Die beiden Frauen kennen sich nicht, dabei haben sie viel gemeinsam: Beide stammen ursprünglich aus dem Harz und beide haben dort ihr Herzensprojekt verwirklicht. Obwohl sie vorher weder vom Bau noch von der Hotellerie Ahnung hatten, haben sie sich getraut, ihre Ideen zu verwirklichen. Sie haben beide eine alte Harz-Villa aus der Zeit um 1900 umfassend saniert und in ein Hotel beziehungsweise eine Pension umgewandelt. Und jede hat auf ihre Weise etwas ganz Besonderes geschaffen: Gerlinde Heim mit der historischen Pension "Villa Uhlenhorst" in Wernigerode und Andrea Schmitz mit dem Hotel "Villa Viktoria Luise" in Blankenburg.
Pension Villa Uhlenhorst in Wernigerode
Die Villa Uhlenhorst wurde im Jahr 1901 gebaut. Sie liegt im Süden von Wernigerode, im Stadtteil Hasserode. Ursprünglich wohnten in der Villa die Direktoren der gegenüberliegenden Papierfabrik. Die Fabrikantenvilla blieb erhalten, die Fabrik nicht. An ihrer Stelle steht heute der moderne Flachbau der Hochschule Harz.
Emaillierte Duschwannen und Bakelit-Drehschalter
Gerlinde Heim war von dem alten verwunschenen Haus sofort begeistert. Die heute 46-Jährige ist in Goslar im Harz aufgewaschen und lange auf Mittelaltermärkten durch die Welt gezogen - bis sie sich ein festes Zuhause wünschte. Eineinhalb Jahre hatte die Villa leer gestanden, als Gerlinde Heim sie 2009 kaufte und aufwändig sanierte. Sie lies alles im alten Stil nachbauen und eröffnete die Villa 2014 als historische Pension.
Gerlinde Heim ist ein großer Fan der Zeit um 1900. Ihr war es wichtig, die sechs Gästezimmer und den Frühstücksraum passend im alten Stil einzurichten. Die Bäder zieren wunderschöne, verschnörkelte Armaturen und ein hochhängender Spülkasten. Die Duschwanne ist emailliert, die drahtgeflochtene Ablage an der Wand neben dem Waschbecken erinnert an eine kleine Vogliere. Wer das alles bei Helligkeit ansehen möchte, benutzt dafür einem Licht-Drehschalter aus dem alten Kunststoff Bakelit. Die Inhaberin hat alles aufwändig auf Flohmärkten, Messen und übers Internet zusammengesucht.
Von Schriftsteller Goethe bis zu Ingenieur Schmidt
Namensgeber für die Gästezimmer der historischen Villa Uhlenhorst sind Persönlichkeiten, die mit dem Harz in Verbindung standen. Darunter die Schriftsteller Heinrich Heine und Johann Wolfgang von Goethe, der Maler Caspar David Friedrich und der Ingenieur Wilhelm Schmidt, dessen Weiterentwicklung der Heißdampf-Technik Voraussetzung für die ersten Dampfmaschinen war. Ihre Lebensläufe kann man im jeweiligen Zimmer nachlesen - zusammengefasst von einer Tourismus-Studentin der gegenüberliegenden Hochschule.
Getäfelte Wände und eine wuchtige Standuhr
Im Frühstücksraum dominiert dunkles Holz: die untere Hälfte der Wand ist getäfelt, die Holzstühle sind mit grünem oder roten Stoff bezogen, auf den Holztischen stehen große Kerzenleuchter. Die Zeit wirkt wie stehen geblieben - so wie die Zeiger der wuchtigen, bestimmt zweieinhalb Meter hohen Standuhr in der Ecke, deren Zeiger den ganzen Tag über 10:55 Uhr anzeigen.

Ausflüge mit langen Kleidern und eleganten Hüten
Blickt man durch das Fenster auf den Garten, der eigentlich ein Park ist, meint man, die kleine Lene dort laufen zu sehen. Ihr Vater war etwa von 1907 bis 1920 Direktor der Papierfabrik. Lene ist als Kind gerne auf einen der über hundert Obstbäume geklettert, die damals im Garten wuchsen. Sonntags machte die Familie meist einen Ausflug in den Harz. Die Damen trugen lange Kleider und elegante Hüte. Bei einem allzu kühnen Sprung über einen Graben landete Lenes schick gekleidete Mutter im Wasser. Zum Glück brachte normalerweise nach den Wanderungen der Kutscher mit Pferd Liese die Familie zurück. So blieb es Lenes Mutter vermutlich erspart, im nassen Kleid nach Hause zu gehen. Das Kutscherhäuschen befindet sich noch heute direkt neben der Villa.

Hotel Villa Viktoria Luise in Blankenburg
Auch die heute 60-jährige Blankenburgerin Andrea Schmitz war von ihrer Villa von Anfang an begeistert. Mit ihrem Hund, einem Golden Retriever, ist sie oft an der Teufelsmauer spazieren gegangen. Am Eingang zum Wanderweg hoch über der Stadt Blankenburg stand die wunderschöne Jugendstilvilla mit Türmchen und Erkern und einem Wahnsinnsblick von der Terrasse.
Birken auf der Terrasse und eine Idee
Seit der Wende stand das Gebäude leer, Andrea Schmitz war gespannt, was damit passieren würde. Lange Zeit passierte nichts. Es gab auch kein Schild, dass es zu verkaufen wäre. Auf der Terrasse wuchsen Birken und in ihrem Kopf wuchs ein Gedanke: Wie wäre es, daraus ein Hotel zu machen? Und Gastgeberin zu sein, statt weiter Krankenpfleger auszubilden?
Kaisertochter Viktoria Luise wohnte gegenüber
Zwei Steinmetze hatten die Villa 1893 aus örtlichen Sandstein gebaut. Im Laufe der Jahre wechselten häufiger die Besitzer. Während des zweiten Weltkriegs diente die Villa als Heim für Berliner Kinder. Damals hatte die Namensgeberin Viktoria Luise, Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg und Tochter Kaiser Wilhelms II, die Schirmherrschaft für das Haus übernommen. Sie hatte mit ihrem Mann, Prinz Ernst-August, einige Jahre gegenüber im Schloss gelebt.
Einst trainierten hier die Radsportler
Zu DDR-Zeiten war die Villa Trainingszentrum für Radsportler, Ferienheim und am Ende Kureinrichtung. Nach der Wende stand es zehn Jahre lang leer - bis sich Andrea Schmitz 1998 zum Kauf entschloss. Als Branchenfremde hatte sie ordentlich Respekt vor dem Schritt. Doch sie ist ihn gegangen. Sie hat ihren Job gekündigt und sich um die Finanzierung gekümmert. Die damalige Aufbruchsstimmung in Blankenburg hat ihr geholfen, die nötigen Kredite zu bekommen.
Von der Pädagogin zur Praktikantin und Hotelinhaberin
Die gelernte Medizin-Pädagogin hat sich gut vorbereitet und Praktika in verschiedenen Hotels gemacht. Jeden Tag war sie zudem auf der Baustelle der Villa. Die einheimischen Handwerker hatten eine Menge zu tun: Das Dach war teilweise eingebrochen, weder Wasser- noch Elektrikleitungen funktionierten.
Der neuen Inhaberin war es wichtig, das Alte zu erhalten und mit Modernem zu ergänzen. Die großen Zimmer blieben, die Bäder und eine Sauna im Anbau kamen dazu. Den Stuck goss sie zum Teil selbst. Mit Hilfe eines Inneneinrichters suchte sie Tapeten, Teppiche und Möbel aus. Auch innen sollte die Romantik des Gebäudes sichtbar sein. Aber nicht übertrieben. Sie setzte auf eine sachliche und zeitlose Einrichtung. Ein Jahr später, 1999, eröffnete sie das Hotel.
Wohlfühlorte mit Geschichte
Sowohl die Pension "Villa Uhlenhorst" als auch das Hotel "Villa Viktoria Luise" sind Wohlfühlorte geworden - für die Inhaberinnen, wie für die Gäste. In beiden Häusern wird das Frühstück am Platz serviert und die Besucher werden aufmerksam und freundlich umsorgt. Zu Wanderungen in den Harz kann man direkt vor der Tür starten.
Weitere Informationen
Pension "Villa Uhlenhorst"
Am Eichberg 9
38855 Wernigerode
Telefon: 03943/25 82 93
Doppelzimmer mit Frühstück ab 85 Euro
Hotel "Villa Viktoria Luise"
Hasselfelder Straße 8
38889 Blankenburg
Telefon: 03944/9 11 70
Doppelzimmer mit Frühstück ab 120 Euro
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Wer schreibt hier?
Mein Name ist Monika Herbst. Ich bin Journalistin, lebe in Braunschweig und verbringe meine Freizeit so oft es geht im Harz - mit Familienausflügen, Wanderungen, Mountainbiken und gutem Essen. Wo es im Harz am schönsten ist, könnt ihr in meinem Blog lesen. Mehr dazu:
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mano (Samstag, 05 August 2017 07:28)
toll, dass es solche frauen mit viel tatendrang gibt, altes zu erhalten und damit auch ihre träume zu verwirklichen. ich wünsche beiden viele nette gäste!
viele grüße
mano
Monika (Sonntag, 06 August 2017 19:13)
Vielen Dank für deinen netten Kommentar. Ja, ich ziehe auch meinen Hut vor beiden ...
Viele Grüße, Monika