Der Steinway-Trail: Einblick in ein faszinierendes Leben

Steinway-Trail: Zwei Wanderinnen machen Pause an einer Bank

Vollwaise, Analphabet und erfolgreicher Unternehmer

Er wuchs in bitterer Armut in einer Köhler-Familie in Wolfshagen im Nordharz auf. Mit 14 wurde er Vollwaise. Er war Analphabet, konnte kein Englisch. Das hielt Heinrich Engelhard Steinweg nicht davon ab, in die USA auszuwandern. Zu dem Zeitpunkt war er bereits ein begabter Instrumentenbauer. Als Henry E. Steinway gründete er 1853, im Alter von 56 Jahren, die renommierte Firma Steinway & Sons, die hochwertige Klaviere und Flügel herstellt, auf denen bis heute die Stars der klassischen Musik spielen. Die Instrumente werden nach wie vor überwiegend in Handarbeit an den beiden Firmensitzen in New York und Hamburg hergestellt.

Die ersten Meter auf dem Steinway-Trail. Forstweg, Weide, Blick auf Wolfshagen

Einblick in die Pflanzenwelt im Harz

Wie hat Steinway das nur geschafft? Wer den Spuren seines Lebens nachgehen möchte, kann dies seit Mai 2015 auf dem Steinway-Trail zwischen Wolfshagen und Seesen tun. Dort kann man auf Schildern viel von seinem besonderen Leben lesen. Und wer, wie ich, das Glück hat, den Weg mit Antje Radcke zu gehen (oben rechts im Bild), der bekommt nicht nur einen Einblick in die außergewöhnliche Welt des Henry E. Steinway, sondern auch in die Welt der Pflanzen, die am Wegesrand wachsen.

Aussichtspunkt am Steinway-Trail. Blick auf Weiden und Fichten. Wanderin mit Rucksack von hinten.

Von der Bundespolitik zurück in den Harz

Antje Radcke? Wem der Name irgendwie bekannt vorkommt: Ja, es ist die Antje Radcke, die Ende der 90er-Jahre zusammen mit Gunda Röstel Parteivorsitzende von Bündnis 90/ Die Grünen war. Sie ist im Harz aufgewachsen und inzwischen in ihre Heimat zurückgekehrt, wo sie als Kommunikationsberaterin arbeitet.

 

Sie erzählt vom Leben des jungen Steinway, der vor rund 200 Jahren vermutlich auf der Suche nach Essbarem durch die Wälder um Wolfshagen streifte. Wildkräuter - für uns heute ein nettes Extra, halfen ihm damals vermutlich beim Überleben. Antje Radcke zeigt auf ein paar Fichtenzapfen, die am Boden liegen: "Die hat die Familie damals zum Heizen benutzt." Als Köhler haben sie zwar Kohle hergestellt, aber die war zu wertvoll, um sie selbst zu nutzen. Stattdessen blieben der armen Familie nur die schnell brennenden Zapfen. 

Sauerklee im Harz
Sauerklee

Sinnesschulung im Wald

Bestimmt hat die Familie auch Sauerklee gegessen, vermutet Steinway-Fan Radcke. Der wächst vor allem in Fichtenwäldern, die Blätter schmecken angenehm zitronig. Ihr Tipp: Sauerklee schmeckt gut im Salat, zu viel davon sollte man allerdings wegen der enthaltenen Oxalsäure nicht essen. 

 

Und Steinway? Der hat im Wald seine Sinne geschult, davon ist Radcke überzeugt. Das Spielen hat er sich selbst beigebracht, nach Gehör. Die Fachleute sind sich einig, dass er perfekte Instrumente gebaut hat. 

Nahaufnahme Knoblauchsrauke im Harz
Knoblauchsrauke

Pfeffer aus dem Harz

Knoblauchrauke im Salat oder im Kräutersalz, Wasserpfeffer als regionales Gewürz - was für uns heute eine Besonderheit ist, war für die Harzer Köhler-Familie damals vermutlich lebensnotwendig.

Wasserpfeffer im Harz
Wasserpfeffer
Springkraut im Harz
Springkraut

Springkraut - Spaß für Kinder

Sie zeigt das Springkraut, das vor allem bei Kindern beliebt ist, weil die dicken Knospen so schön aufspringen, wenn man drauf drückt. Die enthaltenen Körner kann man ebenfalls essen. Bei der Wilden Möhre empfiehlt die Pflanzenkennerin, ganz genau hinzuschauen. Man erkennt die Wilde Möhre an  der dunklen Stelle in der Mitte, die aussieht, als würde dort ein Tier sitzen. Die Blüte ist eine leckere Beigabe für Salat oder Kräuterquark. Aber man muss aufpassen: "Unter den Doldenblütlern sind viele giftige Arten", erklärt Radcke.

Wilde Möhre im Harz
Wilde Möhre
Steinklee im Harz
Steinklee

Steinklee als Waldmeister-Ersatz

Die Waldmeister-Saison ist vorbei? Macht nichts. Dafür gibt es Steinklee. Den kann man ein bisschen anwelken lassen und dann mit Wasser aufgießen. Schmeckt prima nach Waldmeister. 

Nahaufnahme Schmetterling Pfauenauge auf Blume
Steinway-Trail: Blick auf Wolfshagen, im Vordergrund Pferde auf der Weide

Steinway-Trail: Wanderweg Wolfshagen-Seesen:

Entfernung (einfache Strecke): 14,3 Kilometer. Dauer: ca. 2,5 Stunden. Ausgangspunkt: Festhalle Wolfshagen, Am Jahnskamp 4. Tourbeschreibung und GPS-Daten unter www.steinway-trail.de

 

Hinweis: Wir sind die Wanderung als Rundtour gegangen und nach dem Abstieg von der Mandolinenhütte parallel zum Innerstestausee zurückgegangen. Insgesamt rund 10 Kilometer.

Weitere Infos:

  • Wer ein Konzert mit einem Original-Steinway-Flügel von 1907 hören möchte, findet Termine unter: www.steinway-wolfshagen.blogspot.de
  • Im Städtischen Museum Seesen gibt es eine Dauerausstellung zur Geschichte Steinways. Dort steht auch sein erstes in den USA gebautes Tafelklavier. Eintritt frei. Geöffnet Di-Fr 11 bis 17 Uhr und Sa/So von 14 bis 17 Uhr. Adresse: Wilhelmsplatz 4 in Seesen. www.museum-seesen.de

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