Imposante Bäderarchitektur in Bad Harzburg

Um 1900 zählte Bad Harzburg zu den renommiertesten und größten Kurorten Deutschlands. Die illustren Gästen nächtigten in stattlichen Hotels und besuchten repräsentative Trink- und Badehäuser. Auch heute noch findet man - zwischen Bausünden der 60er- und 70er Jahre - imposante Gebäue aus den Glanzzeiten der Bäder- und Kurarchitektur. 

Postkarte vom Hotel Park-Haus (heute Parkhof) in Bad Harzburg um 1900
Postkarte vom Hotel Park-Haus (heute Parkhof) in Bad Harzburg um 1900. Foto: Harzburger Heimatarchiv/ H. Plaster

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden in Bad Harzburg Hotels und Villen im Bäderstil, wie man sie vor allem von den Seebädern der Ostsee kennt. Ein typisches Merkmal sind die überdachten Veranden, in denen die Gäste geschützt vor Wind und Wetter die klare Luft genießen konnten. Tatsächlich hat dieser Baustil seinen Ursprung in den Bergen und nicht an der See: Vorbild dafür waren die Chalets in der Schweiz.

 

Der beeindruckendste Repräsentant dieser Zeit in Bad Harzburg ist sicherlich das Hotel Harzburger Hof - 1874 errichtet und damals mit 200 Zimmern das größte Hotel der Stadt. Das ehemalige Grandhotel liegt am Waldrand, in der Nähe des Kurparks. Auffällig daran und typisch für die Bäderarchitektur sind die vielen umlaufenden Holzveranden, die sich über alle vier Etagen ziehen. Nach einem Brand im Frühjahr 2014 ist das Gebäude inzwischen zerstört und weiträumig abgesperrt. 

Erbauer wollten zeigen, dass sie belesen sind und die Welt gesehen haben

Das Hotel Park-Haus (siehe Foto oben) von 1894 ist dagegen noch gut erhalten, ein Besuch lohnt sich. Das Gebäude wird inzwischen als Einkaufspassage genutzt (Parkhof, Herzog-Wilhelm-Straße 104). Trotz Holzfassade wurden steinerne Elemente, wie zum Beispiel Balustraden, nachempfunden. Die Haube hinter dem Dreiecksgiebel auf dem Dach (unter dem Türmchen) ist einem Element der französischen Schlossarchitektur entlehnt. Mit solchen Besonderheiten wollten die Erbauer zeigen, wie weit gereist und architektonisch gebildet sie waren. 

Bad Harzburg. Badehaus um 1900. Heute beherbergt das Gebäude eine Spielbank.
Das Badehaus in Bad Harzburg (heute Spielbank) um 1900. Foto: Harzburger Heimatarchiv/ H. Plaster

Bad Harzburg war beliebt bei kinderlosen Ehepaaren

Bad Harzburg war um die Jahrhundertwende vor allem als Frauenheilbad gefragt. Kinderlose Ehefrauen wurden zur Kur dorthin geschickt - in der Hoffnung, dass das den ersehnten Stammhalter brachte. Der Erfolg soll weniger mit den Sole-Quellen zusammenhängen, als vielmehr mit den Offizieren, die nachmittags als Jockeys auf der Pferderennbahn arbeiteten. Morgens, wenn die Damen in der Trink- und Wandelhalle das vom Arzt verordnete Heilwasser tranken, sollen ihnen die Offiziere, hinter Bäumen verborgen, dabei zugesehen haben. Man erzählt sich, dass es nicht beim Blickkontakt geblieben ist. So klappte  es häufig mit der ersehnten Schwangerschaft.

Ärzte verschrieben bis zu 20 Liter Heilwasser am Tag

Die Trink- und Wandelhalle ist nur wenige Schritte vom Parkhof entfernt. Hinter den akkurat geschnittenen Hecken steht heute niemand mehr. Nur das Heilwasser kann man sich nach wie vor von der Badefrau ausschenken lassen. Allerdings sollte man besser nicht die Mengen zu sich nehmen, die zu den Anfängen der Trinkkuren in Deutschland im 16. Jahrhundert üblich waren: bis zu 20 Liter täglich. Das Problem: Heilwässer wirken in großen Mengen abführend, oder, wie es in einem ärztlichen Gutachten von 1851 heißt: "Die Harzburger Sole findet, als Getränk, ihre Anwendung bei Torpidität des Darmkanals..."

 

Für den Bau offizieller Kureinrichtungen, wie der Trinkhalle, griff man zur Jahrhundertwende meist auf ältere Stilrichtungen zurück, deren Formen als besonders würdevoll angesehen wurden. Für die Trink- und Wandelhalle wurde Neobarock gewählt. Das gegenüberliegende ehemalige Badehaus (die heutige Spielbank, siehe Foto) ist ein langgestreckter, zweigeschossiger Bau mit korinthischen Säulen im Stil der Neorenaissance.

Kur- und Bäderarchitektur in Bad Harzburg: Die schönsten und interessantesten Gebäude

  • Parkhof, Herzog-Wilhelm-Straße 104 (Infos und altes Foto siehe Haupttext)
  • Spielbank, Herzog-Julius-Straße 64 (Infos und altes Foto siehe Haupttext)
  • Trink- und Wandelhalle, Rudolf-Huch-Straße 21: zentrierter Mittelpavillon und große Rundbogenöffnungen im Stil des Neobarock
  • Hotel Rosenau, Goslarsche Straße 9: Gebäude von 1899. Dort nächtigte schon Prinzessin Vicoria Luise von Preußen, Tochter Kaiser Wilhelms II. Die Villa ist konventionell aus verputzten Ziegeln gebaut, nicht aus Holz, wie sonst im Bäderstil oft üblich. Aufgeputzte Ornamente zieren die Fenster, vor die Fassade wurden Veranden mit filigraner Holzkonstruktion gebaut.
  • Villa in der Papenbergstraße 4 (ehemaliges Hotel Schlemm): Der wunderschöne Bau wird heute als Mehrfamilienhaus genutzt. Die zahlreichen über das Gebäude verteilten Veranden und Erker sorgen für eine verspielte Optik. Eine Besonderheit, die vor allem dem rauen Klima im Harz geschuldet ist, sind die vertikalen Bretter vor den Veranden. Im Harz wechseln sich Feuchtigkeit und Trockenheit ab. Das setzt löchrigen Holzdekorationen zu. Die gewählte Verbretterung ist zwar weniger dekorativ, aber dafür langlebiger. 

Ein herzliches Dankeschön geht an den Braunschweiger Bauhistoriker Elmar Arnhold für die fachkundigen Erklärungen zur Architektur der genannten Gebäude und an Heimatpfleger Harry Plaster für die Fotos. 

Und danach? Ein Besuch im Café

Nach so viel Kultur haben Sie sich eine Pause wirklich verdient. Am besten in einem Café mit freundlichem Service, guter Qualität und schönem Ambiente. Wie wäre es damit?

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Kommentare: 2
  • #1

    shania (Freitag, 09 September 2016 00:39)

    Ich wohne neben dem ehemaligen Hotel Schlemm und gucke jeden Tag auf dieses wunderschöne Haus, wenn ich aus meiner Balkontür sehe. Bad Harzburg ist meine Wahlheimat, auch gerade weil es hier noch viele alte wunderschöne Gebäude gibt. Nicht zu vergessen das Niedersächsische Internatsgymnasium. Das war auch mal eine private Villa, heute ist es ein Gymnasium, in dem Schüler sowohl unterrichtet werden als dass sie auch dort wohnen. Auch dieses Gebäude wurde erhalten. Bei Interesse kann ich Fotos schicken, ich war mal beim Tag der offenen Tür dort drin. Ich glaube die Schüler wissen dieses besondere Gebäude auch zu schätzen.

  • #2

    Monika (Sonntag, 11 September 2016 20:18)

    Vielen Dank für die interessanten Kommentare unter diesem und einigen anderen Blogposts. Über Fotos vom Niedersächsischen Internatsgymnasium (und dem Sanatorium Dr. Barner http://www.monika-herbst.de/2015/02/14/braunlage-top-ziel-für-architekturfans/) würde ich mich sehr freuen...